Bürokratie in Deutschland: Sind die Deutschen tatsächlich verbohrte Paragraphenreiter?

Mit der Bürokratie in Deutschland hat wohl jeder von uns schon so seine Erfahrungen gemacht, denn wo sonst käme der allgemeine Konsens über die Umständlichkeit und Verbohrtheit dieser Einrichtung her?!

Aber ist die Bürokratie in Deutschland tatsächlich so eigenwillig, so langsam und so unflexibel, wie wir alle glauben? Es scheint zumindest so, denn wer hat nicht schon einmal Stunden auf einem Amt verbracht, nur um zu einer anderen Behördenstelle geschickt zu werden, weil diese hier nicht zuständig wäre?! Wie viele Häuslebauer sind während der monatelangen Wartezeiten auf die Genehmigung ihrer Bauanträge schon verzweifelt? Und wer hat sich nicht schon oft über die unverständliche Amtssprache in Formularen und Co. geärgert?!

Fallbeispiel: Bürokratie in Deutschland und die Suche nach Fachkräften

Gerade erst wurde die umständliche deutsche Bürokratie wieder Thema in den Medien: Dass hierzulande ein Mangel an Fachkräften in vielen Wirtschafts- und Forschungsbereichen herrscht, ist längst keine Neuigkeit mehr. Auch nicht dass die Bundesagentur für Arbeit (BA) im Ausland fleißig Arbeiter anwirbt. Doch der Paragraphen-Dschungel schreckt potenzielle Zuwanderer ab, denn während Fachkräfte aus der EU gute Chancen haben, schnell eine Arbeits- und Wohnerlaubnis zu bekommen, ist es für Arbeiter aus sogenannten Drittländern sehr viel schwieriger.

Für sie stehen wochenlange Wartezeiten an, bis ihr Antrag bearbeitet ist, egal wie hochqualifiziert sie sind und wie dringend sie hier gebraucht würden. Außerdem müssen sie sich durch das komplizierte Arbeitsrecht wühlen und womöglich die Führerscheinprüfung erneut ablegen. Es sei denn, sie haben einen deutschen Hochschulabschluss. Oder sie gehören einer bestimmten Berufsgruppe an. Oder sie verdienen in ihrem neuen Job nachweislich mehr als 66.000 Euro jährlich. Oder sie kommen aus einem Nicht-EU-Land, aus dem die BA gern Leute anwirbt, wie Japan oder Kanada. Oder… Und so geht es immer weiter. Ausnahmen über Ausnahmen, deren Auflistung fast länger ist als die eigentlichen Zuwanderungsregelungen.

Selbst die Mitarbeiter der zuständigen Stelle bei der BA verzweifeln hier gern mal, aber es gibt Hoffnung: Immerhin gibt es inzwischen einen Check im Internet, der Interessierten mit nur sechs Klicks Gewissheit darüber verschafft, ob sie eine Chance auf eine deutsche Arbeitserlaubnis haben oder nicht. Gewissheit darüber, ob es sich lohnt, sich den Weg durch den Paragraphen-Dschungel zu bahnen. Ein guter Ansatz, also. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Berechnung deutlich schneller geht als die Bearbeitung der Anträge.

Bürokratie: Von Ordnungsliebe und amtlichem Wahnsinn

Ein gewisser Ordnungssinn ist natürlich zu begrüßen, aber ein wenig mehr Flexibilität würde dem deutschen Bürokratie-System ganz sicher sehr gut tun. Dieses ewige Beharren auf Vorschriften, von denen viele sogar vollkommen überflüssig sind, schadet mehr als es nützt. Und sie verursachen enorme Kosten: Noch 2007 mussten deutsche Unternehmen insgesamt mehr als 30 Milliarden Euro jährlich als Folgekosten allein der Informations- und Meldepflicht tragen.

Doch seitdem arbeitet der sogenannte Normkontrollrat an einer Verbesserung der Rechtssetzung und einer Reduzierung der Bürokratie. Bis Ende 2011 sollen die Kosten so um 25% sinken – Ob dieser Plan funktioniert hat, werden wir in wenigen Monaten wissen. Aber immerhin: Ein Anfang ist gemacht, diese Entbürokratisierung sollte schließlich auch einmal beim Gang auf das Amt spürbar werden. Und ein weiterer Trost bleibt uns auch noch, nämlich der, dass den Italienern sogar ein noch größerer Bürokratie-Wahnsinn nachgesagt wird als uns.

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