Kollektiver Selbstmord der Lemminge: Disney-Erfindung oder Tatsache?

Lemminge sind im Verständnis Vieler jene kleinen Nager, die sich kollektiv von einer möglichst hohen Klippe in den Tod stürzen – und das ganz und gar freiwillig und mit jeder Generation aufs Neue.

Der kollektive Selbstmord der Lemminge – gibt es ihn tatsächlich? Nein! Der Mythos ist ebenso alt wie falsch. Tatsächlich dürften die kleinen Nager nicht lebensmüder sein als andere Tierchen. Ganz bestimmt jedenfalls gibt es keinen gemeinsamen Schalter, der – einmal umgelegt – die ganze Bande auf einen Schlag in den Abgrund treibt. Es gibt keinerlei Belege, dass ein solches Phänomen jemals stattgefunden hätte. Woher kommt die Legende aber dann und warum hält sie sich so hartnäckig?

Kollektiver Selbstmord der Lemminge: Disney-Erfindung oder Tatsache?

Genau genommen ist die ganze Angelegenheit weder eine Tatsache noch eine Erfindung von Disney. Ja, es gibt da diesen Film, dem nachgesagt wird, er hätte die Legende der Werbewirksamkeit wegen erfunden. Die Rede ist von der Disney-Dokumentation „Abenteuer in der weißen Wildnis“ (im Original „White Wilderness“), die 1959 sogar den Academy Award als bester Dokumentarfilm erhielt. In diesem Streifen gibt es eine Reihe von Szenen, die eine große Gruppe von Lemmingen zeigen, wie sie eine Klippe hinunter und scheinbar in den sicheren Tod stürzen.

Was in diesem Film gezeigt wird, darf man nur bedingt glauben, wie man mittlerweile weiß. Recherchen haben einige Jahre nach dem Dreh gezeigt, dass die Filmemacher diverse Tricks angewendet haben, um die Geschichte möglichst dramatisch zu gestalten. Zum Einen wurde in Regionen gefilmt, in denen Lemminge gar nicht beheimatet sind. Man hat kurzerhand einige Handvoll der Tiere eingepackt und an Orte verfrachtet, die wohl die schönere Kulisse für den Film abgeben sollten. Zum Anderen wurden die Tiere auf eine Drehscheibe gesetzt und aus verschiedenen Kamerawinkeln gefilmt, so dass der Eindruck entsteht, eine ungeheure Masse von Lemmingen sei hier in manischer Weise unterwegs, obwohl in Wirklichkeit nur wenige Tiere den Weg von ihrem wackeligen Untergrund herunter suchten.

Am schwerwiegendsten sind die Vorwürfe, die Filmemacher hätten die Lemminge von der Klippe geschubst, um die Legende des kollektiven Massenselbstmordes adäquat in Szene setzen zu können. Solche Anschuldigen können schwer bewiesen werden, und wir wollen im Zweifel für die Angeklagten lieber annehmen, dass dies eine Erfindung eines übereifrigen Journalisten ist.

Kollektiver Selbstmord der Lemminge: längst entlarvter Mythos

Erfunden hat Disney den Mythos um den gemeinschaftlichen Suizid der Lemminge aber wohl nicht. Tatsächlich hält sich die Legende schon länger und stammt ursprünglich wohl aus den skandinavischen Ländern. Woher sie genau kommt und warum sie überhaupt jemals den Weg in unsere Köpfe fand, weiß keiner so genau. Warum sie sich noch immer hält, ist da schon verständlicher: der Gedanke ist einfach zu faszinierend und die Wahrheit sieht dagegen schlicht langweilig aus.

In Wirklichkeit kommt es während der Wanderungen von Lemmingen, die sich aus wachsender Population in einem bestimmten Gebiet ergibt, auf ganz natürliche Weise zum Sterben einiger Tiere, wenn kranke und schwache Exemplare die beschwerliche Reise schlichtweg nicht überstehen. Aber wer will schon so eine einfache Erklärung hören, wenn der Mythos doch so viel spannender ist. Die menschliche Sucht nach dem Sensationellen wird schon dafür sorgen, dass sich die Legende um die angeblich lebensmüden Nager weiterhin halten kann.

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