Von Yetis und Riesenkraken – Der wissenschaftliche Beweis

In der Wissenschaft – so meint man – gilt der Beweis, die Fakten und die Untersuchungen. Doch die jüngsten Schlagzeilen zeigen, dass es im Zweifel schon reicht, eine interessante, wenn auch unglaubwürdige Geschichte zu haben, um populär zu werden.

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Als die Infos über die Neutrinos und ihre Geschwindigkeit durch die Medien liefen, regten sich viele „Intellektuelle“ auf, dass dieses Thema ganz sicher nicht für die normale Bevölkerung bestimmt sei, die doch völlig überreagiere, weil man ja noch gar nicht wisse, was daran wäre, an der womöglichen Widerlegung der Relativitätstheorie. Stattdessen sollte man derartige Ergebnisse erst präsentieren, wenn man genügend Beweise und/oder Gegenbeweise hätte.

Wissenschaftliche Ergebnisse vs. Theorien

Aber genau diese Einstellung hat mehr und mehr dazu geführt, dass unser Bild vom Verfahren einer wissenschaftlichen Untersuchung völlig verzerrt wurde. So gehen doch die meisten davon aus, dass Wissenschaftler forschen, dann ein Ergebnis haben, sich daraus ihre Theorie herleiten und sie präsentieren und alles ist gut.

Wenn das stimmen würde, dann wären Yeti und Riesenkrake – die derzeit alle Klatschblätter unterhalten – eine umwerfende Entdeckung, sieht man sich die Ergebnisse jedoch genauer an, muss man nicht nur an den daran arbeitenden, studierten Koriphäen zweifeln, sondern auch an der allgemeinen Auffassung, wie Wissenschaft funktioniert.

In Russland habe man gerade untrügliche Beweise für die Existenz des Yetis gefunden, ein selbst gemachtes Bettenlager, ein paar zerknickte Äste in Menschenhöhe und ein einzelnes, weißes Haar, das untrüglich auf den Schneemenschen hinweist. Roger Patterson hatte damals sogar ein Video und man glaubt es trotz fehlender Gegenbeweise nicht, nun sammeln sich ein Haufen Yeti-Wissenschaftler und Fernsehkameras und beschwören die Richtigkeit ihrer Thesen herbei.

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Noch magerer sieht es bei dem Beweis des angeblich prähistorischen Superkraken aus, der eine mysteriöse Leichstätte von Ichtyosaurus Skeletten erklären soll. Als Weichtier gibt es natürlich keine Knochen des Oktopus, auch der Schnabel oder andere Funde gab es nicht, nur die Art und Weise wie die Skelette der toten Saurier formiert sind, sollen Marc McMenamin nach eindeutige Hinweise dafür sein, dass es einen gigantischen, hoch intelligenten Megakraken gab, der sie getötet und dann spielerisch in Muster auf dem Meeresboden verteilt hat.

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Keine Beweise, viele Kollegen sind skeptisch, die Presse freut sich dennoch, selbst eigentlich anspruchsvolle Medien eignen sich die Story an und schreiben in zuversichtlichen Headlines über Beweise und Erkentnisse, die im Grunde keine sind.

CERN macht es richtig

Und hier liegt der große Unterschied zwischen dem Neutrino-Ergebnis und der Art und Weise, wie CERN das Problem gehandhabt hat und den Wissenschaftlern, die über Yetis und Kraken reden:

CERN hat seine Ergebnisse veröffentlicht, weil sie selbst keine Erklärung hatten und es für eine kluge und wissenschaftlich produktive Möglichkeit hielten, sie so auch von externen Forschern untersuchen zu lassen, um etwaige, bis dato nicht bedachte Fehler zu finden und das Rätsel um die Neutrino-Geschwindigkeit zu lösen. Dieser wissenschaftliche Diskurs ist gerade heutzutage viel zu sehr eingeschränkt, Ergebnisse werden meistens erst veröffentlicht, wenn sie einigermaßen solide stehen, die unzähligen Fehlversuche und Experimente werden hinter verschlossenen Türen gehalten, obwohl sie mindestens 90% aller wissenschaftlichen Arbeiten ausmachen. Nur durch ständiges Ausprobieren und Adjustieren kann man sicher stellen, dass die oftmals vorerst hypothetisch – also beweislos – aufgestellten Theorien auch haltbar sind und für den wissenschaftlichen Umgang nutzbar gemacht werden können.

Karl Popper setzte den Grundbaustein

Der Wissenschaftsphilosoph Karl Popper hat mit der These, dass keine aufgestellte und bewiesene Theorie jemals frei vom Zweifel ist, einen Grundsatz der heutigen Wissenschaft gelegt. Sie besagt, dass es nicht damit getan ist, eine These aufzustellen und sie zu beweisen, man muss ständig im Hinterkopf behalten, dass sie fehlbar ist und vielmehr – um der Wahrheit der Welt näher zu kommen – versuchen, ihre Falsifizierbarkeit, also ihre Fehlbarkeit, zu beweisen. Ansonsten passiert es, dass neue und bahnbrechende Ergebnisse negiert oder verworfen werden, weil sie mit ebenjener These nicht überein stimmen. Diese Art der Wissenschaft geschieht häufiger, als es uns lieb ist, von Althergebrachten trennt man sich nur ungern, dass die Welt rund ist, wusste man schon lange vor Galilei, aber diese These durchzusetzen, brauchte ihre Zeit.

Beweislos anerkannt? So etwas nennt man Klatschpresse, nicht Wissenschaft

Noch viel häufiger passiert es jedoch, dass Theorien von Studierten einfach aufgestellt werden, ohne überhaupt irgendwelche Beweise zu liefern, ganz zu schweigen von Gegenbeweisen, wobei hervor zu heben ist, dass eine Hypothese kein Beweis ist. Wenn also McMenamin sagt, dass es ein Krake war, der die Skelette hinterlassen hat, weil Kraken dafür bekannt sind, mit ihren Opfern zu spielen, dann ist das kein Beweis, sondern nur eine Hypothese. Dieses Missverständnis findet sich viel zu häufig als Fakt in Berichten und auch wissenschaftlichen Arbeiten wieder, ein zweiter – kritischer – Blick ist daher unbedingt notwendig. Ein Beweis ist etwas unmittelbar Erfassbares, etwas Erlebtes, ein Experiment. Nur, weil es keine konkreten Gegenbeweise zu McMenamins haltloser Behauptung gibt, heißt das nicht, dass sie wahr ist, vor allem nicht, wenn sie nicht einmal durch andere, bewiesene Theorien unterstützt werden kann.

Öffentlichkeit bringt Vorteile und Fortschritt – wenn sie richtig genutzt wird

Wissenschaft sollte mehr Platz in den Nachrichten bekommen, nicht zuletzt, damit sie offener betrieben werden kann, aber auch um zu sehen, welchen Einfluss sie auf die Gesellschaft hat, um weiterhin im ethischen Diskurs zu bleiben und Möglichkeiten für eine bessere Welt zu offenbaren. Aber sie sollte nicht der Schlagzeilen willen mit hanebüchenen Thesen aufwarten, sondern echte Ergebnisse und Informationen liefern. Geschieht das, ist es zu begrüßen, wenn Institute wie CERN international Wissenschaftler heran ziehen, um Probleme und Fragen zu lösen, deren Ergebnisse eventuell die Welt ein wenig auf den Kopf stellen könnten. Andernfalls können wir uns gleich in die Welt der Verschwörungstheoretiker bewegen, denn deren Argumente haben ähnliche „Beweise“ wie McMenamin und die Yeti-Forscher…

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