Affen und menschliche Sprache: Von Koko, Washoe und anderen sprechenden Affen

Comedian Robin Williams hat sie unlängst kennen gelernt, Koko die Gorilladame, die laut ihrer Pflegerin Francine Patterson über 1000 Wörter in Zeichensprache versteht und auch kommunizieren kann. Was sprachwissenschaftliche Kollegen darüber behaupten und wie Zeichensprache bei Affen generell funktioniert, haben wir einmal zusammen gefasst.

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So romantisch dieser Gedanke auch ist, ob Koko wirklich mit Zeichensprache kommunizieren kann, ist weitgehend von Wissenschaftlern in Frage gestellt worden, doch Francine Patterson ist fest davon überzeugt, dass die mittlerweile gediegene Gorilla Dame alles versteht und dementsprechend reagieren kann.

Am 4. Juli 1971 wurde Koko (kurz für Hanabiko auch „Kind des Feuerwerks) im Zoo von San Francisco geboren, dort verbrachte sie auch den größten Teil ihres Lebens, selbst wenn schon lange geplant wurde, dass sie in ein angelegtes Terrain in Hawaii gebracht werden sollte, wo die Bedingungen etwas natürlicher sein sollen.

Francince Patterson ist fest davon überzeugt, dass Koko wie ein Mensch kommuniziert, wissenschaftlich wurde auch allgemein bewiesen, dass Affen sehr wohl in der Lage sind, Zeichensprache zu erlernen und anzuwenden, allerdings ist streitbar, wie konditioniert diese Verwendung ist und ob Affen wirklich wie Menschen lernen oder doch ganz anders.

Konditioniertes Sprechen

Damit ist gemeint, dass durch ständige Belohnungen eher die Erwartungshaltung des Trainers, bzw. Pflegers das Tier bestimmte Zeichen verwendet, um diese Belohnung zu erlangen, aber nicht, um andere, eigene Gedanken zu kommunizieren. Dass Francine – wie man in Videos sehen kann – die Wörter vorgibt oder sogar vorführt, bevor Koko sie artikuliert hat, könnte dafür sprechen, dass sie eher wiederholt, als eigenständig berichtet. Gerade Pfleger, die sehr eng mit den Tieren zusammen arbeiten, können daher auch aus dem Wunsch heraus, dass die Tiere klüger sind, Bedeutungen in die Äußerungen hinein lesen, die gar nicht da sind. Dass viele Videos, die wir zu diesem Thema sehen, nur Ausschnitte des gesamten Lernprozesses sind, erhöhen diese Vermutung, da dort auch Übungen gezeigt werden, die von den Tieren schon dutzende Male durchgeführt wurden, also konditioniert sind und daher nicht durch das Verstehen, sondern durch das eingeübte, automatisierte Signalisieren durchgeführt werden.

Ein Beispiel dazu ist Kanzi, ein Bonobo-Affe, der nicht durch Zeichensprache, sondern durch ein Symbol-System eines Computers „spricht“, in dem visuelle Symbole Wörter ersetzen, die von Kanzi gedrückt und von einer Männerstimme artikuliert werden. In diesem Video kann man sehen, dass Kanzi das Marmeladenglas (Jelly) in die Hand nimmt, noch bevor seine Ziehmutter Sue Rumbaugh den Befehl und das Wort dafür ausgesprochen hat (die Maske trägt sie wahrscheinlich, um zu zeigen, dass Kanzi nicht auf Gesichtsausdrücke konditioniert ist, sondern nur auf die Sprache hört). Man kann also davon ausgehen, dass Kanzi diese Befehle diverse Male durchgeführt hat und nicht wirklich unmittelbar reagiert.

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Sätze oder kreative Neubildungen, die wichtig für ein tatsächliches Erlernen der Sprache wären, sind nur grob als solche interpretierbar bei Koko und Kanzi dokumentiert worden, etwa bei einem Online Chat, bei dem Koko einmal „Lips fake candy give me“ signalisierte, was mit viel gutem Willen als Wunsch nach einer Belohnung gedeutet werden kann. Eigene Wortkreationen wurden bislang nur von Patterson bestätigt, sie ist aber keine objektive Quelle, zumal sie – im Gegensatz zu anderen Forschern, die mit Affen und Sprache gearbeitet haben – keine wissenschaftlichen Methoden anwendet. Gleichwohl ist es gerade bei Koko problematisch, dass die einzige Person, die Koko übersetzt, Francine Patterson ist, man daher fast sicher sagen kann, dass viele der teilweise unverständlichen Wort- und Zeichenketten von Francine so weit interpretiert werden, dass sie Sinn ergeben.

Washoe

Koko ist nicht der erste Affe, der Zeichensprache gelernt hat. In den 70ern wurde der Schimpanse Washoe vom Wissenschaftlerpaar Beatrix und Allen Gardner adoptiert, die ihr Zeichensprache so beigebracht haben, wie gehörlose Eltern ihrem Kind Sprache beibringen würden. Dabei war Washoe in der Lage, eigene Bedürfnisse zur Sprache zu bringen, auf Befehle und Fragen zu reagieren und so auch mit den Pflegern zu interagieren, sie sogar bei Namen zu nennen. Dabei zeigte Washoe auch Eigenschaften eines Kleinkindes, so dass sie teilweise auch „brabbelte“, indem sie nicht definierte Zeichen machte, die bei natürlichen Bedürfnissen und Bitten angewendet wurden. Washoes Fortschritte wurden notiert, wenn drei Forscher in unabhängigen Situationen erlebten, wie sie angemessen neue Vokabeln anwendete, dieses auch regelmäßig tat.

Washoe zeigte eigenständiges Verwenden von Sprache

In einigen Fällen verwendete Washoe Sprache auch kreativ, sie kreierte also aus einfachen Wörtern neue Bedeutungen, etwa „öffnen essen trinken“, was „öffne den Kühlschrank“ bedeuten sollte. Eine ganz besondere Eigenheit von Washoe war übrigens die Tatsache, dass sie einen Jungaffen namens Loulis mehr oder weniger unbewusst bis zu 60 Vokabeln beibrachte und mit ihm so kommunizierte, höchstwahrscheinlich durch Nachahmung Loulis‘ von Washoe, nichtsdestotrotz ein bemerkenswerter Vorfall. Ähnlich beeindruckend, aber nicht durch Video belegt, sind Vorkommnisse, in denen Washoe auch Gefühle gegenüber ihren Pflegern ausgedrückt hat, die keinerlei Belohnung hervorbrachten, sondern offensichtlich als Kommunikation nach außen und als Expression zu deuten sind. Bis heute dürfte Washoe wohl in der Sprachforschung das beste Argument für eine menschenähnliche Sprachaneignung und -Nutzung sein.

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Affen sind extrem intelligent, Studien haben sogar ergeben, dass sie im Vergleich mit Kleinkindern kreativer sind und schneller lernen. Das wird auch nicht von Wissenschaftlern bezweifelt, weshalb ihre Fähigkeit, Symbole zu erlernen, die für Wörter stehen, nicht bestritten wird. Auch die individuellen Kompetenzen sind dabei schon anerkannt worden, so dass Affen derselben Familie nicht gleich intelligent sind, ihre Eigenarten haben und auch vom Aufziehen her, unterschiedlich reagieren und agieren.

Symbole und Sprache

Die These, die viele Wissenschaftler aufgestellt haben und die Forscher wie Gardner und Pfleger wie Patterson (die keine wissenschaftliche Herangehensweise zu verzeichnen hat, wie das Ehepaar) bestreiten, ist das Verständnis der Tiere von Sprache.

Es wird davon ausgegangen, dass Tiere die Zeichensprache nur symbolisch erlernen, dass sie also die Zeichen selbst nicht verstehen, sondern sie nur anwenden, um bestimmte Dinge zu erreichen. Der bereits erwähnte Bonobo Kanzi kann Symbole mit höchster Wahrscheinlichkeit auch dinghaft wieder erkennen, so kann er die Namen von Gegenständen eben diesen Gegenständen zuordnen und auch in Sätzen diese Gegenstände in der im Satz genannten Relation zusammen führen und benutzen. In dieser sprachlichen Umgebung sind Affen mehr als lernfähig, Sarah, eine Schimpansen Dame, die von eher kritischen Wissenschaftlern adoptiert wurde, zeigte dies, als sie nach Erlernen der Sprache mit einem ihr völlig unbekannten Wissenschaftler Fragen beantworten konnte, die nicht ganz so oft richtig beantwortet wurden, wie mit bekannten Pflegern, dennoch weit über dem Prozentsatz lagen, der die Antworten als „zufällig“ markiert hätte.

Auch wenn Affen mit der Zeichensprache in natürlicher Umgebung und vor allem in Interaktion mit anderen Affen weiter fortgeschritten kommunizieren können, als mit Computern, konnten Affen, die mit Keyboards und anderweitigen Systemen arbeiteten, überraschende Verständnis-Qualitäten zeigen, die bei der Zeichensprache oft nicht direkt assoziiert werden konnten (wahrscheinlich auch, weil selten ein Muttersprachler der Zeichensprache in der Forschung involviert war, die Verwendung von Grammatik und Stil daher immer zu wünschen übrig ließ).

Lana, auch ein Affe unter Rumbaughs Leitung, zeigte bei der Verwendung eines Keyboards die Angewohnheit, bei falsch eingegebenen Wörtern die Löschtaste zu drücken. Auch bezeichnete sie Dinge, zu denen sie keine Wörter kannte, als „Das“ (im Englischen akurater „this“), was darauf hinweist, dass sie das sehr wohl undefinierte Konzept dieses Wortes verstanden hatte.

Sprache selbst setzt sich jedoch auch aus abstrakten Begriffen, Grammatik, Syntax und Kontext zusammen, Dinge, die auch Kinder erst später lernen. Dass Affen diese Konzepte verstehen und anwenden können, konnte bis jetzt nicht faktisch bewiesen werden, sondern wurde nur von den emotional zu involvierten Trainern und Pflegern behauptet. Daher bleibt bis heute die Theorie bestehen, dass menschliche Kinder Sprache anders lernen als Affen, sie außerdem auch anders nutzen. Während viele Affen – so auch behauptet von Herbert S. Terrace, der selbst einen Schimpansen namens Nim dafür beobachtete und trainierte – Sprache nur als Code verwenden, um etwas zu erreichen, sprechen Kinder auch, um eigenständige Ideen auszudrücken und dahingehend die Welt um sich herum zu erfassen und in einen individuellen Kontext zu bringen.

Die unglückliche Geschichte des Schimpansen Nim

Terraces Ergebnisse mit Nim, der nie so viele Vokabeln lernte wie Washoe, wurden jedoch im Nachhinein vielseitig kritisiert, da sein Vorhaben, Nim wie ein Kind aufzuziehen dadurch gehindert wurde, dass Nim keine richtige Bezugsperson hatte und auch mehr unter (sehr chaotischen) Labor-Verhältnissen, als in einer familiären Umgebung, wie es bei Washoe der Fall war, groß wurde. Daher ist Nims Geschichte auch sehr viel trauriger und sagt mehr über Menschen aus, als Washoes Geschichte (die später von den Foutses adoptiert wurde und immer enge Bezugspersonen hatte, darunter auch 3 Ziehkinder), zumal Nims Sprachfähigkeiten durch ständig wechselnde Trainer und Studenten auch niemals so erforscht werden konnten, wie es in Washoes „Familie“ der Fall war und die Pfleger sich nicht mit Affen, sondern nur mit Sprache auskannten und daher grobe Fehler in Nims Erziehung begingen.

Fazit

Gerade weil es schwierig ist, objektive Experimente durchzuführen, da die Affen zum Erlernen der Sprache auch eine enge, emotionale Bindung mit den Menschen aufbauen müssen und auch die Projekte selbst Zeit- und Geldintensiv sind, sind die Forschungen zu Affen und Sprache, bzw. Sprachverständnis immer noch in einem Stadium, in dem keine klaren Aussagen getätigt werden können. Fakt ist, dass Affen Sprache lernen können, allerdings bleibt die Frage, ob sie die Komplexität der Sprache und den Nutzen von Sprache, auch so verstehen und anwenden, wie es Menschen tun. Geht man aber davon aus, dass Affen wie Washoe ihre Emotionen und auch die Emotionen von Betreuern einschätzen und artikulieren konnten, ist der Gedankensprung zu abstraktem, innovativem Denken vielleicht nicht ganz so weit.

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Update (23.12.2011): In den USA wurde vor einigen Wochen ein Gesetz erlassen, nachdem Experimente mit Affen nur noch dann erlaubt sind, wenn es sich um lebensnotwendige Experimente handelt, die keine andere Testmöglichkeit haben (etwa durch Computer oder künstliche Tests).  Das Institute of Medicine hatte ermittelt, dass viele der Tests an Affen unnötig waren und nicht zuletzt aufgrund der großen Ähnlichkeit mit Menschen mehr Respekt gegen unseren engsten, genetischen Verwandten gezeigt werden sollte.

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